Interview mit der Tropenwaldstiftung OroVerde

Grünes Wissen, Regenwaldschutz

One Green Deed A Day hat mit der Tropenwaldstiftung OroVerde gesprochen, die sich für den Erhalt tropischer Regenwälder einsetzt. In unserem Interview haben uns Regenwald-Experten erklärt, warum der Regenwald so wichtig für uns ist und welche Maßnahmen wirklich helfen, die Regenwälder zu schützen.

One Green Deed A Day: Gibt es noch Hoffnung für den Regenwald? Oder müssen wir damit rechnen, dass wir den Regenwald aufgrund von Bränden und Abholzung in den nächsten Jahren verlieren?

OroVerde: Ja, trotz der häufigen und vor allem negativ geprägten Schockmeldungen gibt aus Sicht von OroVerde noch Hoffnung für den Regenwald! Allerdings ist es höchste Zeit endlich zu handeln. Mit den knapp 90.000 Bränden, die laut dem brasilianischen Institut für Weltraumforschung allein in 2019 in Brasilien verzeichnet wurden, erreichte diese Tropenregion leider ihren Negativrekord. Doch auch in Südostasien und in Zentralafrika brennt der Tropenwald jedes Jahr. Laut dem aktuellsten Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES gingen zwischen 1980 und 2000 rund 100 Millionen Hektar tropischer Wald verloren. Hauptursachen waren Viehzucht in Lateinamerika (um die 42 Millionen Hektar) und Plantagen in Süd-Ost-Asien (7,5 Millionen Hektar). Weltweit sind laut dem IPBES etwa eine Millionen Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Das alles sind erschreckende Zahlen, aber dennoch kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Zivilgesellschaftliche Bewegungen, wie bspw. Fridays For Future zeigen, dass ein Umdenken in der Gesellschaft stattfindet.

One Green Deed A Day: Was hilft gegen die Zerstörung des Regenwalds?

OroVerde: Gezielte und nachhaltige Schutzmaßnahmen – gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort – können der Zerstörung entgegenwirken. Natürlich müssen an erster Stelle die Reduktion von fossilen Brennstoffen und entwaldungsfreie Lieferketten stehen. Dabei darf es nicht darum gehen, Entwaldung in Lieferketten zu kompensieren, sondern sie gar nicht erst zuzulassen. Wir selbst haben es – auch als Verbraucher in Europa – in der Hand etwas daran zu ändern: Kleine Alternativen im Alltag können etwas bewirken – von der Mobilität über das Thema Papier hin bis zum Fleischkonsum. Jeder kann jeden Tag ein kleines Stück Regenwald retten. Hinzu kommt, dass wir natürlich auch in der Politik etwas bewegen können – jedes Mal, wenn wir bei Wahlen unsere Stimme abgeben.

„Vielen Verbrauchern ist es nicht mehr bewusst, dass unser Alltag von der Vielfalt der Tiere und Pflanzen der Regenwälder geprägt ist.“

One Green Deed A Day: Der Regenwald produziert sein eigenes Klima – in erster Linie Regen. Dafür benötigt er eine gewisse Größe. Stimmt es, dass der Amazonas Regenwald schon in wenigen Jahren nicht mehr groß genug sein könnte, um das zu schaffen?

OroVerde:Es stimmt, dass tropische Regenwälder sehr sensible Ökosysteme sind. Ein Problem ist tatsächlich die Fragmentierung von Regenwald-Gebieten. Je fragmentierter eine Fläche ist und vor allem je weniger sie von intaktem Wald umschlossen ist, desto schwieriger ist es für das Ökosystem selbst, sich zu regenerieren. Hier gibt es allerdings keine allgemeingültige Faustregel, da jeder Tropenwald sich vom anderen unterscheidet.
Anhand des Amazonas-Regenwaldes veröffentlichten Wissenschaftler 2019 eine Studie in Science, die zeigt, dass dort bereits eine Entwaldungsrate von 20 Prozent zu einem „Kipppunkt“ führt, also einem Zustand, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Mit schweren Folgen, nicht nur für die Amazonasregion selbst, sondern für weite Teile des südamerikanischen Kontinents: Auch die Regenfälle im Süden Brasiliens, Paraguays und des zentrale Osten Argentiniens sowie Uruguays stehen in direkter Abhängigkeit zum Wasserkreislauf des Amazonas. Der Regenwald dort ist es, der diese Regionen im Winter mit ausreichend Regen versorgt. Gerät das Ökosystem aus dem Gleichgewicht, wird sich das auch auf diese Gebiete auswirken! Eine Versteppung dieser großen Flächen wäre eine direkte Folge!

One Green Deed A Day: Die Tiere und Pflanzen im Regenwald sind einzigartig und faszinierend. Warum ist es auch für uns Menschen wichtig, die Artenvielfalt des Regenwalds zu erhalten?

OroVerde: Wir sind stark von der Artenvielfalt des Regenwaldes abhängig. Heutzutage ist es vielen Verbrauchern nicht mehr bewusst, aber unser Alltag ist geprägt von der Vielfalt der Tiere und Pflanzen der Regenwälder. Vanille, Kakao, Ananas, Bananen, Kaffee – alles Nutzpflanzen, die aus den Tropen stammen und zum Großteil dort noch angebaut werden. Jedes 4. Medikament aus unserer Apotheke enthält Wirkstoffe, die ursprünglich aus Waldpflanzen entwickelt wurden. Forscher vermuten sogar, dass viele Wirkstoffe der Wälder noch unentdeckt sind. Die Vielfalt der Tropenwälder ist also aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken!

One Green Deed A Day: Die Abholzung des Regenwalds ist die größte Bedrohung für den Fortbestand der tausenden dort lebenden Tier- und Pflanzenarten ist. Was sind die größten Treiber für die Abholzung?

OroVerde:Rund 75 % der weltweiten Entwaldung sind auf die Umwandlung von Tropenwald in landwirtschaftliche Nutzflächen zurück zu führen. Wir von OroVerde schätzen als eine der größten Treiber der Entwaldung den Sojaanbau als Futtermittel für Massentierhaltungsbetriebe – bspw. für Importe in die EU- sowie die Rodung von intakten Wäldern für den Anbau für Ölpalm-Monokulturen ein. Außer Acht lassen sollte man jedoch auch nicht den Abbau von Bodenschätzen, der besonders im Kongo einen immensen Schaden anrichtet. Zusätzlich werden Wälder noch für den Anbau von Zellstoff und die Gewinnung von Tropenholz sowie für den Anbau von Kakao-Monokulturen gerodet. Ein Fakt, der besonders tragisch ist, gibt es hier doch wunderbare Alternativen wie die artenreichen Waldgärten, in denen OroVerde mit seinen Partnern Kakaoanbau vorantreibt.

„Nur mit den Menschen vor Ort kann der Schutz der Regenwälder langfristig funktionieren.“

One Green Deed A Day: Gibt es neben Abholzung und Bränden noch weitere Gefahren für den Regenwald?

OroVerde:Ja, die Klimakrise selbst ist eine große Bedrohung. Denn durch die Erdüberhitzung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen und längeren Trockenperioden, auf die das Ökosystem sich in dieser rasanten Geschwindigkeit nicht einstellen kann.

One Green Deed A Day: Was macht OroVerde, um dem Regenwald zu helfen?

OroVerde:Die Tropenwaldstiftung setzt an verschiedenen Hebeln gleichzeitig an: Neben Schutzprojekten mit lokalen Partnern und der Bevölkerung vor Ort in den Tropenländern, setzen wir auf Verbraucherbildung und bieten Programmen und Angebote für Schulen an. Außerdem entstehen regelmäßig Studien zu verschiedenen Waldwiederaufbaumaßnahmen und immer wieder findet der Austausch auf politischer Ebene statt – sei es national, EU-weit oder sogar international. Für OroVerde gehen Naturschutz und Entwicklungszusammenarbeit Hand in Hand, denn nur mit den Menschen vor Ort kann der Schutz der Regenwälder langfristig funktionieren.
In unseren Schutzprojekten geht es auch um langfristige Alternativen zur Regenwaldzerstörung. So bringen wir den Anbau von Nutzpflanzen in biodiversen Waldgärten voran und setzen uns mit unseren Partnern vor Ort erfolgreich für deren Vermarktung zu fairen Preisen ein.
Zugleich geht OroVerde Verbraucherthemen an, also den Einfluss der Konsumenten hier auf die Umwelt- und Lebensbedingungen in Regenwald-Regionen. Besonders im Rahmen der Verbraucherbildung setzen wir auf neue, innovative Methoden und Ideen. Von einfachen, klaren Tipps für den Alltag, um Papier zu sparen, Palmöl zu reduzieren oder mal vegetarisch zu kochen bis hin zu spannenden Grafiken, die den Verbrauchern die Angst nehmen, die immer komplexer werdenden Systeme nicht mehr durchschauen zu können, bietet OroVerde Online- aber natürlich auch Printmaterialien an.

One Green Deed A Day: Ein Regenwald ist ein sehr komplexes Ökosystem. Können Aufforstungsprogramme funktionieren und kann wieder ein „echter“ Regenwald entstehen?

Ja, Aufforstungsprogramme – wenn sie nachhaltig, gut geplant und vor allem mit der Bevölkerung vor Ort durchgeführt werden – können etwas bewirken. Dabei ist es jedoch besonders wichtig, viele Faktoren zu berücksichtigen und nicht einfach „nur Bäume zu pflanzen“, denn das Thema ist viel komplexer als es auf den ersten Blick scheint. Wir von OroVerde raten dazu, sich folgende Fragen zu stellen, wenn es um das Thema Aufforstung geht: Welche Baumarten werden gepflanzt? Sind es heimische Arten? Wo genau werden die Bäume gepflanzt (ist es ein Ökosystem, das früher einmal mit Wald bedeckt war oder nicht)? Wem gehört die Fläche, auf der die Bäume stehen werden und wer kümmert sich um diese Bäume? Werden verschiedene Arten gepflanzt oder nur ein bis zwei Arten? Wie gut ist die lokale Bevölkerung mit eingebunden?
Und natürlich sollte man sich auch immer die Fragen stellen: Ist die Fläche von intaktem Wald umgeben und würde es dieser vielleicht auch selbst schaffen, die Lücke wieder zu schließen?

Für uns von OroVerde ist unser grundsätzliches Primärziel der dauerhafte und langfristige Schutz der Tropenwälder. Denn: Ein intakter Primärwald ist ein so spannendes und ausgeklügeltes Ökosystem, dass es nicht möglich ist, einen solchen Wald einfach „nachzupflanzen“. In Amazonien bspw. gibt es auf einem Hektar mehr Baumarten als in ganz Europa! Primärwälder haben sich über Jahrtausende oder sogar über Millionen von Jahren hinweg entwickelt. Daher setzen wir mit unseren Projekten den Fokus auf den Schutz der noch vorhandenen Regenwälder in Lateinamerika, der Karibik und Südostasien: Wir bieten attraktive Alternativen an, die ohne Regenwald-Rodung auskommen und gehen auch mit der Politik vor Ort ins Gespräch.

One Green Deed A Day: Das klingt nach sehr sinnvollen Aktivitäten. Welche „grüne Tat“ würde sich OroVerde von der One Green Deed A Day community wünschen, um dem Regenwald zu helfen?

OroVerde:Eine ganz einfache Tat wäre z.B. auf Recyclingpapier umzusteigen – besonders bei Toilettenpapier und Taschentüchern ganz einfach, da sie in jedem größeren Drogerie- oder Supermarkt auch aus 100% Recyclingpapier angeboten werden.
Vegetarische Gerichte bringen Vielfalt in das Essen und lassen sich wunderbar in den Alltag integrieren. Inzwischen gibt es eine große Auswahl an vegetarischen Alternativen zu Fleisch, so dass jede*r fündig wird. Für den Anfang kann es z.B. ein Tag in der Woche sein, an dem man fleischfreiem Essen den Vorzug gibt. Es gibt natürlich noch viele andere Tipps. Die findet man auf der OroVerde-Homepage: www.oroverde.de/verbrauchertipps.

Grüne Taten für den Regenwald

Wir hoffen, dass Euch diese interessanten Informationen motiviert haben, viele grüne Taten für den Regenwald zu tun! In unserem nächsten Blog Beitrag findet Ihr viele grüne Tagen, die OroVerde zusammengestellt hat. 

Wenn Ihr mehr über die Tropenwaldstiftung wissen möchtet, findet Ihr auf der Homepage viele interessante Informationen.

Quellen 

Vielen lieben Dank an Aldo Villanueva, der uns netterweise die Bilder von dem großen grünen Blatt, dem süßen Tapir und der wunderbaren Schlange zur Verfügung gestellt hat.