Grüne Inspiration: Interview mit Aufräum-Aktion-Organisator Christian Stock
Christian Stock kommt aus Köln und ist eigentlich Schauspieler. Seit einigen Jahren setzt er sich zusätzlich in seiner Freizeit für unsere Umwelt ein. Er hat die „K.R.A.K.E.“ gegründet – die Kölner Rhein Aufräum Kommando Einheit. Über seine Facebook-Gruppe organisiert er Aufräumaktionen, um das Rheinufer und andere Orte in Köln von Müll zu befreien. Im Interview mit One Green Deed A Day erzählt er uns, wie es zu seinem Engagement für die Umwelt gekommen ist, was er schon erreicht und was er noch vorhat. Ein inspirierender Typ, der uns zeigt, dass jeder mit einfachen Mitteln richtig viel zum Umweltschutz beitragen kann!
One Green Deed A Day: Christian, Du hast vor rund 3 Jahren die Facebook Gruppe K.R.A.K.E. gegründet.
Was hat Dich motiviert, diese Gruppe ins Leben zu rufen?
Christian: Ein Kumpel von mir hat mich vor einigen Jahren gefragt, ob ich mit ihm eine Dokumentation über Lepra-Kranke in Nepal drehen möchte – als Produzent. Ich bin eigentlich Schauspieler, aber ich wollte das trotzdem unbedingt machen. Wir waren einen Monat lang in Nepal und haben über die Krankheit und die Menschen dort gedreht, was mich menschlich auch sehr verändert hat.
In Nepal habe ich auch gesehen, dass viele Menschen ihren Müll einfach in den Fluss gekippt haben. Wir waren während der Trockenzeit da, zu der kein Wasser im Fluss ist, deswegen lag der ganze Dreck im Flussbett und es stank bestialisch.
Wenn der Monsun kommt, spült der Fluss dann alles weg und der Müll landet im Meer. Leider gibt es dort keine so gut funktionierende Müllabfuhr wie bei uns.
Nachdem ich das gesehen hatte und wieder in Deutschland war, habe ich mir überlegt, dass ich doch irgendwie eine Verantwortung habe. Es ist zwar nicht mein Müll, der in Nepal im Flussbett liegt, aber ich weiß auch, dass Deutschland einen großen Teil unseres Mülls nach Asien exportiert, zum Beispiel nach Malaysia. Also habe ich mir gedacht: was können wir tun?
Zunächst habe ich angefangen, immer wenn ich am Rhein gegrillt habe, um mich herum aufzuräumen.
Aber dann habe ich das mit dem Grillen sein gelassen und bin trotzdem zum Rhein gegangen und habe Müll aufgesammelt, weil ich nicht möchte, dass das Zeug im Meer landet.
Dann haben mir zwei oder drei Kumpels dabei geholfen. Schließlich wollte ich das auch bekanntmachen und habe die Facebook-Gruppe K.R.A.K.E. gegründet, deren Namen ich mir an einem Abend nach 2-3 Kölsch ausgedacht habe. Erst waren wir 50 dann 100 Leute. Ich habe weiter Videos und Fotos von unseren Sammelaktionen im Netzwerk geteilt – und wir wurden 500 Leute, dann 1.000 und mittlerweile sind wir über 4.000. Ich hätte nie gedacht, dass das Baby so groß wird.
One Green Deed A Day: Das ist wirklich beeindruckend. Wie genau laufen Eure Aufräumaktionen ab?
Christian: In den allermeisten Fällen initiiere ich die Aufräumaktionen in der K.R.A.K.E.-Gruppe. Dann melde ich die Aufräum-Aktion bei der AWB an. Das geht tatsächlich ganz einfach auf der Internetseite der AWB. Dort kann jeder Normalsterbliche eine Aufräumaktion anmelden. Man kann sogar kostenlos Handschuhe und Müllsäcke bestellen. Und man kann einen Ort bestimmen, wo die AWB die gesammelten Werke hinterher abholt. Kostenlos. Es ist eine wirklich gute Sache.
Ich erstelle eine Facebook Veranstaltung mit mindestens einer Woche Vorlauf und die Leute sagen darüber zu.
So mache ich meine Aktionen fast wöchentlich, mal größer mal kleiner. Ich bin mal mit 5 oder 6 Leuten unterwegs. Aber gestern waren zum Beispiel 50 Leute da.
„Jede Plastiktüte, die man aufhebt, landet nicht im Meer und wird nicht von einer Schildkröte gefressen“
One Green Deed A Day: Wie sucht Ihr die Stellen aus, an denen Ihr eine Aktion startet?
Christian: Ich mache regelmäßige Begehungen und fahre rum, um zu sehen, wo viel Müll liegt. Mittlerweile kenne ich die Hotspots, an denen bei Hochwasser viel Müll angeschwemmt wird. Oder wo die Leute viel Müll liegen lassen. Wir gehen aber auch an Stellen, die wir zufällig entdecken, oder die die Mitglieder der Gruppe vorschlagen. Wir sind offen für alles.
One Green Deed A Day: Wie oft macht Ihr die Aufräumaktionen und wieviel Müll sammelt Ihr bei einer Aktion?
Christian: Wir machen meist 3 bis 4 Aktionen pro Monat. Oft sammeln wir zwischen 200 und 500kg Müll pro Aktion. Nach Hochwasser schaffen wir mit 20 Leuten auch schon mal 800 kg in 2 Stunden.
Wenn man dann ein paar Tage später wieder an die gleiche Stelle kommt, sieht es oft wieder so aus, wie vorher. Das kann sehr demoralisierend sein. Aber ich sehe das so: jede Plastiktüte, die man aufhebt, landet nicht im Meer und wird nicht von einer Schildkröte gefressen.
One Green Deed A Day: Am Ufer des Rheins findet Ihr alle Arten von Müll – von Plastikflaschen über Kanister bis hin zu Fahrrädern und Elektroschrott. Was macht Ihr mit dem gesammelten Müll?
Christian: Fast alles wird von der AWB abgeholt. Sperrmüll oder Elektromüll kommt zum Wertstoffhof. Das, was die AWB abholt, landet in der Verbrennung. Das ist auch nicht immer schön, aber bei so einer Sammelaktion ist es nicht möglich, den Müll auch noch zu separieren.
Wir haben jetzt im Mai eine Kooperation mit einem Künstler aus Belgrad, Ivan Kocic. Der macht Bilder aus Müll. Das ist in der Form einzigartig auf der Welt und er verkauft die Bilder für mehrere tausend Euro. Und er wird jetzt mindestens ein Bild mit von uns gesammeltem Müll aus Köln machen, das wir dann auf einer Vernissage in Köln ausstellen werden.
One Green Deed A Day: Du bist auch einer der Mit-Organisatoren des RhineCleanUp days. An einem Tag werden in verschiedenen Städten die Ufer des Rheins gesäubert. Was kannst Du uns darüber erzählen??
Christian: Ja, der findet jedes Jahr im September statt. Dieses Jahr ist er am 12. September. Ich veranstalte den jetzt das dritte Mal in Folge in Köln.
Beim letzten Jahr waren über 500 Leute an einem Tag dabei, die mit mir in Köln Müll gesammelt haben. Inklusive unserer Oberbürgermeisterin. Das ist eine richtig schöne Aktion. Der RhineCleanUp Day wurde in Düsseldorf initiiert. Dort wird das auch koordiniert. Im ersten Jahr waren ca. 50 Städte entlang des Rheins dabei. Von der Schweiz bis nach Holland. Letztes Jahr waren es über 100. Und dieses Jahr werden auch die Nebenflüsse mit eingebunden. Überall gibt es dann einen Ansprechpartner oder eine Initiative, die sich in ihrem Ort um die Aktion kümmert.
Da ich mittlerweile sehr gute Kontakte zur AWB habe, stellen die uns dann einen Kolonnenwagen für den ganzen Tag zur Verfügung und sind auch selber dabei. Dieses Jahr kommt wohl auch die NRW Umweltministerin Frau Heinen-Esser dazu.
„Many kids are super motivated. And they go home and educate their parents.“
One Green Deed A Day: Bekommt Ihr Unterstützung von öffentlicher Seite – z.B. von der Stadt?
Christian: Die AWB war von Anfang mit im Boot und das war auch immer sehr freundlich.
Von der politischen Seite her war es etwas schwierig. Vor drei Jahren habe ich ziemlich alleine gekämpft. Ich hatte mir bei der ein oder anderen Aktion Unterstützung von öffentlicher Seite erhofft, aber da kam wirklich nichts. Ich habe aber immer wieder kleine Nadelstiche gesetzt. Immer freundlich und immer konstruktiv. Irgendwann wurde die Gruppe größer und war dann so groß, dass man mich nicht mehr ignorieren konnte.
Als Schauspieler habe ich auch ein paar Kontakte in die Medien, die ich genutzt habe, und mittlerweile ist die Politik offen für meine Vorschläge.
Letztes Jahr bin ich dann mit dem Ehrenamtspreis der Stadt Köln ausgezeichnet worden. Das schafft Aufmerksamkeit und es gab auch etwas Geld, mit dem ich die Aktivitäten der K.R.A.K.E. unterstützen konnte.
Ich war auch schon im Umweltministerium im Landtag. Wir stoßen mittlerweile überall auf offene Ohren. Die Umsetzung könnte besser sein, aber zumindest ist die Bereitschaft der Politik mittlerweile da.
One Green Deed A Day: Du hältst auch Vorträge in Schulen? Wie reagieren die Schüler auf das Thema?
Christian: Die Schulen kommen auf mich zu, weil sie von der K.R.A.K.E. gehört haben und möchten mit mir eine Müllsammelaktion durchführen. Ich halte dann für die Kinder eine Präsentation, in der ich vom Plastik im Meer erzähle: wo das herkommt, was es für Folgen für die Tiere hat und was wir dagegen tun können. Das nimmt die Kinder emotional mit und die verstehen sehr schnell, dass sie helfen können, den Fehler im System zu beseitigen.
Viele Kinder sind große Tierfreunde und sind dann auch topmotiviert und packen bei der Aufräumaktion richtig mit an. Und dann gehen die meisten nach Hause und erziehen ihre Eltern.
„Es würde mich freuen, wenn sich noch mehr Menschen einer Müllsammelaktion anschließen“
One Green Deed A Day: Hat die K.R.A.K.E. noch weitere Pläne?
Christian: Ja, uns kommen immer mehr Ideen. Jetzt ist geplant, dass wir Müllfallen am Rhein aufstellen. Wir starten demnächst ein Pilotprojekt mit der AWB und der Stadt Köln. Die Kosten über 15.000 Euro können wir durch Sponsoren aus der Industrie decken. Wenn die Müllfalle funktioniert, werden wir sicher weitere aufstellen.
Außerdem soll die K.R.A.K.E. demnächst ein gemeinnütziger Verein werden. Dann haben wir noch mehr Möglichkeiten als eine Bürgerinitiative. (Anmerkung der Redaktion: das ist mittlerweile passiert – K.R.A.K.E. e.v.)
One Green Deed A Day: Welche „grüne Tat“ würdest Du Dir von der One Green Deed A Day community wünschen?
Christian: Ich fände es schön, wenn jeder versucht, mal den Müll eines anderen aufzuheben. So wird man für die Thematik sensibilisiert und versucht selbst, weniger Müll zu machen.
Es würde mich auch freuen, wenn sich noch mehr Menschen einer Müllsammelaktion anschließen. Alleine macht es oft nicht so viel Spaß, aber die Gruppendynamik hilft einem sehr.
Und natürlich fängt alles bei der Müllvermeidung an. Jeder sollte sein Einkaufsverhalten überdenken: kaufe die ich Paprika, die in Plastik verpackt ist, oder die ohne Plastik? Wenn viele Menschen etwas nicht mehr kaufen, wird es auch nicht mehr produziert.
Auch ein freundlicher Hinweis an den Filialleiter eines Supermarkts, was besser gemacht werden könnte, ist hilfreich. Nur so bewegen wir auch andere Menschen zum Umdenken.
Wenn Ihr mehr über die K.R.A.K.E. erfahren wollt, schaut Euch die Facebook group an und werdet Mitglied.
Quellen
Vielen lieben Dank an Christian Stock für die Fotos, die er uns netterweise zur Verfügung gestellt hat. Und natürlich vielen Dank für das Interview 🙂